"Dress
to Impress" oder der Menschenversteher?
Von Thomas Schmider und Philipp Hartensuer
Mit strengem Gesichtsausdruck selektiert
er die Besucher der Clubs in Berlin-Mitte - so kann man ihn nachts am Potsdamer
Platz antreffen, doch tagsüber zeigt er ein ganz anderes Gesicht. Dilim Onyia, eine vielseitige und
außergewöhnliche Persönlichkeit. Trotz seines engen Terminplans hat uns der 31-jährige, gebürtige Berliner einen
kleinen Einblick in sein abwechslungsreiches Leben gegeben. Wir haben mit ihm
über sich selbst, seine Tätigkeit als Sozialpädagoge und sein Nachtleben als
Türsteher gesprochen.
Dilim Onyia |
Als Türsteher schaut man rein
aufs Äußerliche und als Sozialpädagoge muss man auf die Menschen eingehen. Wie
schaffst du diesen Spagat?
Dilim Onyia: Letztendlich hat
man es mit einem Klientel zu tun. Die Schere ist gedanklich viel größer als sie
es wirklich ist. Da ich ja Pädagoge bin und mit Kindern von acht bis zwölf
Jahren arbeite und an der Tür mit heranwachsenden Jugendlichen zu tun habe, bin
ich der Meinung, dass man an die Arbeit als Türsteher sehr pädagogisch
herangehen kann. Ich nehme mir die Sekunde Zeit und unterhalte mich mit diesen
Leuten. Das unterscheidet mich auch von anderen Türstehern. Ich glaube, ich bin
eine ehrliche Haut und wirke sehr authentisch. Ich komme nicht mit vielen
Ausreden, sondern bin sehr direkt und ehrlich und ich glaube damit können die
meisten besser umgehen. Die Szene ist sehr oberflächlich keine Frage: “Dress to
Impress." Aber darüber hinaus nehme ich sehr viel Rücksicht und ich gebe
auch Leuten eine Chance. Das spürt man auch.
Dein Vater wollte dass du
Medizin studierst. Warum hast du dich dann für Sozialpädagogik entschieden?
Ich hätte mich vielleicht
durch das Medizinstudium durch gespickt und wäre dann der schlechteste Arzt der
Nation gewesen, aber darauf hätte ich kein Bock gehabt. Deshalb habe ich lieber
geschaut, was meine Stärken sind. Ich habe einfach gemerkt, dass ich ein sehr
kontaktfreudiger Mensch bin und auch sehr begabt bin, was so soziale
Kompetenzen betrifft. Und warum sollte man sein Hobby nicht zum Beruf machen?
Ich machte ein Orientierungspraktikum in einem katholischen Kindergarten. Nach
einer Woche wurde mir gesagt: „Hör mal zu Dilim, du hast ein Talent, du bist
geduldig, du solltest in dieser Hinsicht etwas mit Kindern machen.“ Ich habe
mich wirklich für etwas entschieden, dass meine Berufung ist. Das was mir Spaß
macht. Etwas bei dem ich auch nicht aufs Geld gucke, sondern auf das was mir
die Kinder und Jugendlichen geben. Davon ernährt sich mein Ego und mein Selbstbewusstsein.
Die Bestätigung, die jeder braucht in seinem Alltag und seinem Leben.
"Sich auf die Stärken
konzentrieren" das ist für dich der Schüssel zum Erfolg: Was empfindest du
außer deiner sozialer Kompetenz noch als deine Stärken?
Ehrgeiz! Ich bin ein verdammt
ehrgeiziger Mensch. Der Sport Basketball hat mich damals gerettet. Ein Grund
dafür, dass ich nicht, wie manche meiner Freunde, hinter schwedischen Gardinen
gelandet bin. Ich fing relativ spät so mit dreizehn Jahren an bei den jungen
Alba Berlin Basketball zu spielen. Ich wurde dann erstmal einen Sommer lang
nach Hause geschickt, weil ich kein links Korbleger konnte, hab dann den ganzen
Sommer trainiert und bin dann wieder angetanzt. Die haben mich aufgenommen und
ich hab mich schnell zum Alpha Tier entwickelt und wurde mit den Jungen Alba
zwei mal Deutscher Meister. Daran sieht man, dass ich ein verdammt ehrgeiziger
Mensch bin. Wenn ich was mache, dann aber richtig!
Du hast zwei Brüder, welche
Rolle spielen sie in deinem Leben?
Ich habe einen leiblichen
Bruder und einen Halbbruder. Mein leiblicher Bruder, der mich sehr geprägt hat,
ist sieben Jahre älter. Er hatte auch eine sehr starke Vorbildfunktion für
mich. Mittlerweile gehe ich natürlich meinen eigenen Weg. Mein Halbbruder ist
dreizehn Jahre und wohnt in London, UK.
Gab es dann oftmals auch Zoff
oder Auseinandersetzungen zwischen dir und deinem leiblichen Bruder? Musstest
du dich auch manchmal gegen ihn durchsetzen?
Ganz klar! Sieben Jahre
älterer Bruder und wie ich ein Milchjunkie. Ich hab den Kühlschrank aufgemacht,
hab zwei Liter Milch gesehen, du wusstest entweder trinkst du jetzt zwei Liter
oder du weißt, in der nächsten Stunde ist der Liter oder die zwei Liter weg.
Und das immer! Ständig! Er war ein Konkurrent was das Essen betraf.
// sein aktuellstes projekt // jamalade - sweet surprise |
Konntest du aus diesem
Machtkampf zwischen dir und deinem Bruder Erfahrungen auf deinen Job als Türsteher
übertragen?
Mein Bruder war noch ganz gut
zu händeln. Der Knackpunkt war, als sich meine Eltern getrennt haben und ich
mich für meinen Vater entschieden habe. Mein Vater ist Afrikaner und ich habe
ganz klar eine afrikanische Erziehung genossen, in der mal kurz das Handerheben
ein Klacks ist. Und somit musste ich eine Strategie entwickeln um dem eben zu
entkommen. Ich musste ganz clever und smart mit ihm reden. Ich lernte also
wirklich schon frühzeitig zu tricksen und meine Vorteile auszuspielen. Ich
musste lernen mit einem Tyrann zurechtzukommen. Diese Erfahrungen helfen mir
bis heute sehr in meinem Job.
Was gibt dir denn die Arbeit
als Sozialpädagoge, bzw. was geben dir die Kinder?
Ich glaube es ist ganz
schwierig das in Worten auszudrücken. Eine Mutter hat mal gesagt: "es
würde mich nicht wundern Dilem, wenn dich mein Sohn mehr lieben würde als
mich". Ich glaube das drückt alles aus. Dieses Gefühl was die Kinder mir
vermitteln, da geht mir mein Herz auf.
Denkst du, du bist ein
Vorbild für die Kinder?
Ja! Wichtig ist natürlich,
dass ich bis heute durch den Sport nie in den Kontakt mit Alkohol, Zigaretten
oder Drogen gekommen bin. Ich war noch nie mit meinen 31 Jahren betrunken oder
hab an einer Zigarette, geschweige an einem Joint gezogen. Das ist natürlich
ganz wichtig für die Kinder, damit sie sehen, dass man auch ohne Alkohol und
Zigaretten cool sein kann.
Du sagst, du warst nie ein klassischer Schüler, dafür hast du andere Erfahrungen in deinem Leben gemacht. Helfen dir diese Erfahrungen bei deiner Arbeit?
Das auf jeden Fall! Ich rede
immer von einer schulischen Intelligenz und von der Straße. Aber mal ehrlich,
das Gesetz der Straße muss man einfach beherrschen, um in dieser Welt klar zu
kommen. Wenn du nur eine schulische Intelligenz hast, wirst du irgendwann mal
eingehen. Die Kunst ist die Waage zu halten.
Was machst du dann mit den
Kindern, spielst du mit ihnen Basketball oder redest du mit ihnen über Ihre
Probleme? Wie läuft das ab?
Am Montag zum Beispiel haben
wir Jungen und Mädchenzeit. Ich unterhalte mich dann zwei Stunden mit den Jungs
und wir reden über aktuelle Themen, die gerade da draußen vor sich gehen.
Natürlich kommen dann auch mal Fragen wie, ob ich schon mal getrunken habe und
ob ich schon mal Sex hatte oder mehr wie fünf mal Kondome benutzt habe. Also
einfach so Jungsfragen und ich stehe Rede und Antwort!
Gibt es denn schwere bzw.
bewegende Momente als Sozialpädagoge in denen du an deiner Berufung für die
Arbeit gezweifelt hast?
Nein! In diese Situation kam
ich noch nicht. Ich merke aber, dass ich für viele Kinder eine Vaterfunktion
habe, weil sie eben ohne Vater aufwachsen. Dabei merke ich schon, dass ich eine
größere Verantwortung habe als bei anderen Kindern. Sprich dass sich ein
Sechstklässler, der als cool in der Schule gilt, beim Ausflug an meiner Hand
läuft, weil er einfach diese Nähe sucht. Und das ist natürlich schon mal so
eine Situation wo du sagst "Krass!" Lässt du diese Nähe jetzt zu oder
stößt du ihn ab? Ich hätte die Möglichkeit, diese Nähe zu unterbinden, aber ich
bin der Meinung, wenn ein Kind das gerade braucht, habe ich kein Problem damit
diesen Part zu erfüllen.
Wie sieht es als Türsteher
aus, hast du da schon einschneidende
Erfahrungen gemacht?
An der Tür bin ich ein KofiAnnan. Ich bin sehr sehr diplomatisch, da passiert so schnell nichts! Meine Art
ist einfach nicht stark angreifbar. Da ich die Szene kenne, weiß ich auch was
für Leute unterwegs sind. Wenn diejenigen vor mir stehen, weiß ich schon wie
ich mit denen zu Reden habe, ohne dass es eskaliert.
Dein Motto ist ja: " Das
Leben ist kein Problem sondern die Lösung", Siehst du dich denn selber als
Überlebens- bzw. Lebenskünstler, der für jedes Problem die passende Lösung
findet?
Garantiert! Es gab mal vor
zehn Jahren auf MTV die Sendung Namens Roadtrip. Da werden zwei Leute ohne Geld
ausgesetzt, die dann bestimmte Etappen abklappern müssen. Ich habe mich dort
beworben mit so einem Foto (zeigt Mittelfinger). Ich sage euch, ich wäre mit
mehr Cash nach Hause gekommen und hätte den Wagen abgesahnt. Ich bin smart. Ich
habe immer eine Lösung. In der Hinsicht bin ein Fuchs (lacht)!
Noch ein kleiner Blick in die
Zukunft. Wünschst du dir denn selber Kinder?
Eine sehr interessante Frage,
muss ich ehrlich sagen. Aus dem Grund, dass mich seit knapp drei Jahren 300
Schüler lieben, rutscht die Priorität heute oder morgen Papa zu werden,
natürlich ein wenig in Hintergrund. Aber ich kann jederzeit Papa werden vom Gefühl
her. Wenn meine Partnerin sagt: " Komm ich hab Lust, lass uns doch ein
Kind zeugen". Dann sag ich nicht nein, lass mal noch ein Jahr warten,
sondern ich sag okay gut, let's do it! Ich bin bereit.
Spät ist es geworden, die
Uhr piept, es ist schon 22.30 Uhr: Wir bedanken uns bei ihm für das Interview.
Er verabschiedet sich lächelnd, nimmt
seine Jacke von der Garderobe und macht sich auf den Weg zum Club.
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Du machst verdammt gute Arbeit zur Zeit! Und das Design ist mega!!
AntwortenLöschenDas freut mich das es dir gefällt und danke für dein Lob! thumbs up
LöschenWeiter so Bruder...du gehst den richtigen Weg und zeigst ihn auch den Menschen die sich sonst verlaufen würden!Genauso wie mir seit 30 Jahren!....One Love
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